Digitalisierung der Rechtsbranche: Legal Technology und die elektronische Akte
Vortrag auf der 3. Fachkonferenz des BDÜ „Übersetzen und Dolmetschen 4.0 Neue Wege im digitalen Zeitalter“, 22. –24. November 2019 in Bonn
Wenn Legal Tech Tools den Juristenjob ersetzen
Viele Legal Tech-Firmen haben auf dem Markt bereits Fuß gefasst und bieten in Bereichen der Rechtsberatung, Rechtserkenntnis oder gar Rechtdurchsetzung Anwendungen der Legal Technology, kurz Legal Tech, an. Legal Chat Tools für automatisierte Rechtsberatung, für Sachverhaltsaufklärung und Prozessrisikoanalyse dürften bereits allgemein bekannt sein. Juristischen Laien werden auf Online-Portalen Tools für Streitschlichtung und Erstellung von Klageschriften angeboten und wenn Smart Contracts als „selbsterfüllende Verträge“ aus Textbausteinen digital zusammengestellt werden, passiert dies ohne Mitwirkung eines Juristen. Da viele juristische Dienstleistungen auf dem Markt durch die Legal Tech subsumiert werden und der juristische Laie sich am PC informieren kann, kommt der Rechtsanwalt weniger zum Zuge. Das steigende Angebot von Legal Tech-Anwendungen durch die IT-Unternehmen direkt an die Kunden bewirkt, dass auch Juristen sich mit der Digitalisierung ihrer Dienstleistungen auseinandersetzen müssen. Der wachsende Wettbewerbs- und Kostendruck in der Rechtsberatungsbranche und lässt das Eigeninteresse der Kanzleien an innovativen Technologien zur Erleichterung und Vereinfachung der eigenen Arbeit, steigen. Bereits heutzutage werden juristische Dokumente nicht nur digital erstellt und verwaltet, viel mehr helfen Algorithmen dabei, juristisch relevante Tatsachen zu erheben und zu analysieren, wodurch die manuelle Erstellung von juristischen Texten entfallen kann.
Für juristische Übersetzer kann das zur Folge haben, dass die klassischen Übersetzungsaufträge möglicherweise weniger bzw. nicht mehr erteilt werden und manche Rechtsanwaltskanzleien als Direktkunden wegbleiben. Anstelle dessen werden jedoch einmalige Übersetzungen von Textbausteinen benötigt, welche anschließend als riesige Datenmengen mit mehrsprachigem Inhalt in die Systeme der Künstlichen Intelligenz eingearbeitet werden.
Weniger betroffen durch die Digitalisierung bleiben u.a. beglaubigte Übersetzungen, seltene Rechtsgebiete, auf denen Synergien durch Standardisierung kaum möglich sind, komplexe Einzelfälle beispielsweise im Bereich des Familien-, Erb-, und Strafrechts und juristische Forschung.
Aktueller Stand zur Einführung der E-Akte in der Justiz
Im Juli 2019 wurde die elektronische Akte in Baden-Württemberg bereits eingeführt. Im Zuge der Digitalisierung der gesamten Justiz soll ab dem 01.01.2022 die elektronische Akte in allen Bundesländern eingeführt und zur Pflicht werden. Somit wird der gesamte elektronische Rechtsverkehr in allen Bundesländern für alle freien, mit Justizbehörden zusammenarbeitenden Berufe, verpflichtend. Ermächtigte Übersetzer und vereidigte Dolmetscher müssen sich anpassen. Um als Übersetzer am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen, muss man dann über eine Signaturkarte mit einem Signaturkartenlesegerät verfügen. Die Übersetzung mit der Rechnung und dem Anschreiben muss in PDF/A-Format umgewandelt und die Übersetzung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden. Unterschrift und Siegel werden nicht mehr benötigt. Die Übermittlung der Dokumente erfolgt dann via eine DE-Mail oder ein EGVP (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach).
Insgesamt soll die Arbeit dadurch erleichtert werden, dass auch Dolmetscher, nach Anmeldung mit einer SAFE-ID, die Möglichkeit der digitalen Akteneinsicht für die Vorbereitung auf Dolmetschereinsätze in Gerichtsverfahren bekommen.
Informationen zu allen anderen Themen mit den Skripten der Referentinnen und Referenten finden Sie in dem umfangreichen Tagungsband der 3. Fachkonferenz, erhältlich beim BDÜ Fachverlag.
Małgorzata Podskarbi, 2. Vorsitzende / Geschäftsführung
BDÜ LV Berlin-Brandenburg